Das glücklichste Jahr by Petra Oelker

Das glücklichste Jahr by Petra Oelker

Autor:Petra Oelker [Oelker, Petra]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Biographie
ISBN: 9783644553217
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-11-26T16:00:00+00:00


Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, 19. Jh.

Sie war wieder daheim, bei ihren Kindern im Haus am Neuen Wall und ihrem vertrauten Kreis. Der hatte sich allerdings verändert. Der alte Postdirektor Borgeest war gestorben, Pastor Alberti, der streitbare Prediger, der sonst so laut gelacht und mit satirischen Scharaden amüsiert hatte, war todkrank und ging kaum noch aus. Basedow packte seine Sachen, um für den Fürsten von Dessau das Philantropinium zu eröffnen, und Knorre, der stets schwatzhaft Vergnügte, hatte sich mit Lessings ehemaligem Hauswirt Schmidt über einen lukrativen Posten beim Lotto zerstritten und war auch sonst still und sorgenvoll. Zudem gehörten neuerdings Damen und Herren von Adel und vom Magistrat dazu, die Eva so wenig behagten wie Lessing. Bis auf den sozial engagierten und auch das Theater liebenden Ratsherrn Vogt, obwohl er wegen seiner nicht immer ganz feinen Sitten gern verspottet wurde. Überhaupt, so teilte sie ihm mit, rede man fast nur noch vom Lotto und von den neuen Lesegesellschaften. Was nicht zuletzt an Klopstock lag. Der war endgültig von Kopenhagen nach Hamburg übergesiedelt, versammelte empfindsame Damen um sich und machte den anderen Zirkeln heftig Konkurrenz. Auch ging er in der Alster schwimmen, was allgemein erstaunte.

Egal, was sich verändert hatte, es war eine überaus glückliche Heimkehr mit der Gewissheit einer ebenso glücklichen Zukunft. Auf ihrer Heimreise hatte Eva Freunde und Verwandte in Frankfurt besucht, in Heidelberg ihre Mutter und den ältesten Bruder. Dass sie ihre Mutter das letzte Mal lebend sah, ahnte sie nicht. Die Wittib Hahnin starb ein halbes Jahr später, ihr Tod stürzte Eva wieder in tiefe Melancholie.

Doch jetzt war sie voller Freude. Zuletzt hatte sie in Braunschweig im Gasthof Zum goldenen Stern am Kohlmarkt Station gemacht. Lessing wartete schon. Es war ein Wiedersehen nach fast einem Jahr. 29 Briefe waren in dieser Zeit hin- und hergegangen, vertrauliche, vertrauensvolle Briefe, die sie einander nähergebracht hatten. Aus ‹Mein lieber Herr Lessing› war ‹Mein lieber Freund› geworden, ‹Meine liebste Madam› zu ‹Meine liebste Freundin!› und ‹Meine Beste›. Doch bei aller hier und da aufblitzenden Koketterie und Neckerei und der wachsenden Vertrautheit war der Ton der Briefe freundschaftlich verhalten geblieben, von Sehnsucht oder gar Liebe war nie die Rede gewesen. Kaum zwischen den Zeilen. Die Begegnung in Braunschweig änderte das. Dort trafen sich zwei, die schon mehr waren als Freunde, ein Wort, das damals so leicht gebraucht wurde. Da trafen sich ein Mann und eine Frau, die Sehnsucht nacheinander und nach tiefer Liebe hatten. Und nun, sechzehn Monate nach Engelbert Königs Tod, konnten sie es auch zeigen.

Trotzdem fürchteten beide, als aufdringlich, gar als lästig empfunden zu werden. Ob er denn überhaupt weitere Briefe von ihr erwarte?, fragte Eva nach ihrer Rückkehr aus Hamburg. Das klang ein bisschen kokett, als werde da nur Widerspruch eingefordert. Der kam prompt: Das müssten Sie ja wohl von Ihrem Aufenthalt in Braunschweig wissen, wenn Sie auch sonst nichts wissen könnten. Wie sehr habe ich Sie da belagert gehalten? Und immer ist es mir zu spät eingefallen, dass ich Ihnen überlästig sein müsse.[28]

Die Einladung, bei seinem für den Sommer verabredeten Besuch in Hamburg bei ihr zu wohnen, nahm er nicht an, auch als sie sie mehrfach wiederholte.



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